Welttag der Kreativität und Innovation
Innovationen sind ohne Kreativität nicht denkbar. Zum Welttag der Kreativität und Innovation am 21. April haben wir drei Jurorinnen der von uns betreuten Förderinitiative „Forschungscampus“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung befragt. Sie haben uns verraten, wie sie selbst kreativ werden und was Kreativität in Innovationsstrukturen bedeutet, in denen Wissenschaft und Wirtschaft zusammenarbeiten.
„Mitunter finden kreative Lösungen einen quasi von selbst, wenn man aufhört, sie herbeizuzwingen“, erzählt Professorin Birgitta Wolff. Wolff ist Rektorin der Bergischen Universität Wuppertal. Die Betriebswissenschaftlerin wurde 2010 Kultusministerin, und von 2011 bis 2013 war sie Ministerin für Wissenschaft und Wirtschaft in Sachsen-Anhalt. Professorin Ellen Enkel ergänzt aus der Perspektive der Innovationsforscherin: „Man muss seinem Gehirn Raum für Kreativität geben. Das kann im schlechtesten Fall eine langweilige Sitzung sein und im besten Fall ein Spaziergang in der Natur.“ Enkel hat eine Professur für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Ihr Forschungsschwerpunkt sind offene Innovationsprozesse. Doktorin Heike Riel hält etwa 50 Patente. Die Physikerin beschreibt das Privileg, als IBM Fellow mit exzellenten Kolleginnen und Kollegen im Team technische Herausforderungen zu lösen, als inspirierend und motivierend. „Kreativität und neue Ideen entstehen aus der Kombination von Wissen und Erfahrung und aus der Motivation über den state-of-the-art hinauszugehen“, sagt sie. Als eher hinderlich für kreative Prozess nennt Enkel die oft sehr effizienzgetriebene Arbeitsorganisation, die kaum Zeit lässt, über eigene Ideen nachzudenken oder diese auszuarbeiten.
Viele Bedenken erledigen sich beim Experimentieren
In den neun Forschungscampi arbeiten Wissenschaft und Wirtschaft unter einem Dach. Eine Herausforderung, weil beide teils sehr unterschiedlich an Probleme herangehen und in Bezug auf Kreativität jeweils andere Grenzen beachten. Wirtschaftsunternehmen seien oft gezwungen, auf den Output zu achten. Zugleich hätten sie – oft stärker als Forscher:innen – die Zielgruppe im Auge, so Wolff. Enkel ergänzt: „In der Forschung haben wir mehr Freiheit. Da können wir uns mit Entwicklungen beschäftigen, für die es noch gar keine praktische Anwendung gibt.“ Wenn beides zusammenkommt, kann das zu Innovationen führen. Riel präzisiert: „Ohne die technische Umsetzung, die zu einem wirtschaftlichen Mehrwert führt, ist eine wissenschaftliche Erkenntnis noch keine Innovation.“ Es braucht also Kreativität auf beiden Ebenen. Wolff rät insgesamt zu Mut: „Was immer stört, sind theoretische Bedenkenträger:innen. Viele Bedenken erledigen sich beim Experimentieren relativ konfliktarm.“
In Innovationsstrukturen wie den Forschungscampi wird Kreativität zusätzlich durch transdisziplinäre Teams gestärkt. „Wenn sich Menschen aus unterschiedlichen Branchen oder Fächern gut verstehen, dann kann ihr heterogenes Wissen zu radikalen Innovationen führen“, erklärt Enkel, „weil sie sich gegenseitig beflügeln“. Wolff erläutert den Effekt mit dem Popperschen Scheinwerfer: „Wenn Sie nicht nur einen haben, sondern Dinge aus mehreren Richtungen ausleuchten, vielleicht auch mal darum herumgehen, dann haben Sie am Ende ein vollständigeres Bild.“ Alle drei sind sich einig: Es braucht Übersetzer:innen, Brückenbauer:innen oder Vermittler:innen zwischen den verschiedenen Disziplinen, damit alle einander verstehen und wirklich voneinander profitieren können.
Kreativität ist auch im Miteinander gefragt
Nicht nur bei der Entwicklung von Produkten ist in Innovationsstrukturen wie den Forschungscampi Kreativität gefragt, sondern auch, wenn es darum geht, das produktive Miteinander zu gestalten. „Beispielsweise muss ich wissen, unter welchen Umständen das gemeinsame Generieren und Teilen von Wissen und Ideen für die Beteiligten überhaupt von Interesse ist“, sagt Wolff und nennt als Faustregel: „Bei marktnahem, wettbewerbsrelevantem Know-how werden kluge Unternehmen wenig Bereitschaft zum Knowledge Sharing zeigen – aus guten Gründen.“ Deshalb sei eine Organisationsform notwendig, die nicht alle für jede Art von IP in einen Pool zwinge, sondern auch bilaterale Prozesse zwischen Forscher:innen und einzelnen Unternehmen ermögliche.
Für Enkel ist eine andere Herausforderung die Balance zwischen der Entwicklung von neuem Wissen und der Entwicklung von konkreten Anwendungen für die Wirtschaft. Sie warnt vor zu viel Kommerzialisierungsdruck: „In einem kreativen Umfeld wäre das genauso schädlich wie zu wenig Umsetzungsverlangen.“ Um eine kreative Umgebung zu schaffen braucht es ihrer Ansicht nach Zukunftsorientierung, Risikobereitschaft, Fehlertoleranz und die Infusion ständig neuen Wissens. „Leitplanken durch Budget und Projektplanung, aber auch strategische Ziele sind dabei wichtig, um nicht im Elfenbeinturm zu forschen.“ „Eine Umgebung, die kreative Lösungen begünstigt, sollte einen träumen lassen“, sagt Riel, damit man Zeit zum wirklichen Nachdenken habe. Daneben sind für sie drei Dinge wichtig: „Erstens die richtige Vision, zweitens die richtigen Personen und drittens die richtige Infrastruktur.“ Wenn das alles gegeben sei, sei das ein guter Start, um kreativ und innovativ werden zu können.
In ihrer Rolle als Jurorinnen achten alle drei auf die entstandene Kreativität. Sie zeige sich in Form von spannenden Partnerschaften, von veröffentlichten Forschungsergebnissen, angemeldeten Patenten oder neuen Geschäftsmodellen oder Produkten, erzählt Enkel: „Diese Ansätze wären ohne Kreativität nicht möglich.“ „Bei allem, was ich tue, versuche ich immer zu verstehen, was der Stand der Dinge ist und was das für das Gesamtziel bedeutet; was wir noch besser machen können“, erläutert Riel, „deshalb ist für mich auch als Jurorin Kreativität sehr wichtig“. Ihre eigene Kreativität sei in dieser Rolle allerdings in anderer Weise gefragt, sagt Wolff: „Unsere Fantasie soll ja nicht dazu führen, dass wir den Teams unsere Ideen aufnötigen, sondern wir sollen vor allem verstehen – und dann beurteilen – was deren Ideen sind und ob sie in der Logik des jeweiligen Marktes funktionieren. Wir geben Anregungen, aber immer im Rahmen dessen, was im Team schon angelegt ist.“
Wünsche für die Innovationsförderung
Wenn sie einen Wunsch frei hätten für die Zukunft der Innovationsförderung? „Woran es oft mangelt, ist die schnelle Einschätzung, ob eine Idee realistisch umgesetzt werden kann, ob wirklich jemand bereit ist, dafür Geld zu zahlen“, sagt Riel. Darum sei es so wichtig, gleich zu Beginn auch Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft einzubeziehen. Die Wirtschaft wiederum müsse offen dafür sein, Neues zu denken. Sie wünscht sich eine engmaschige Begleitung von Projekten, um diese Punkte einfordern zu können. Das sei eine Voraussetzung für eine stärkere Wirkung der Innovationsförderung. Enkel ist sicher, mit Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie ist man bereits auf einem sehr guten Weg. „Da ich seit vielen Jahren im Bereich der Wissensnetzwerke und Innovationsökosysteme forsche, wünsche ich mir natürlich viel mehr solcher Ansätze, die mutig neue Technologiefelder vorantreiben und uns damit einen nationalen Forschungs- und Umsetzungsvorsprung ermöglichen“, sagt sie. Wolff wünscht sich auch von der Politik einerseits Kreativität, anderseits eine genaue Analyse: „Wenn das Problem beispielsweise in einer wenig erfolgreichen Zusammenarbeit von Forschungspartnern mit kleineren und mittleren Unternehmen besteht, weshalb sich nur wenige daran beteiligen, muss ich untersuchen, woran genau das liegt – und nachsteuern.“ Hier gehe es letztlich wieder um lösungsorientiert eingesetzte Kreativität.
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