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Die Herstellung von Zement setzt große Mengen an CO2 frei. HeidelbergCement geht in dem BMBF-geförderten Verbundprojekt CO2MIN neue Wege: Das klimaschädliche Gas soll in Gestein mineralisiert und anschließend als Zuschlagstoff für die Bauindustrie eingesetzt werden. Das spart Rohstoffe und verbessert die CO2-Bilanz der Zementindustrie.
„Versteinern statt freisetzen“ – so kurz und knapp lässt sich das Projektziel von CO2MIN formulieren, an dem mit HeidelbergCement eines der weltweit größten Baustoffunternehmen beteiligt ist. Die Idee dahinter: Die Zementindustrie verantwortet etwa fünf Prozent des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen wie Kohlendioxid. Um klimafreundlicher zu werden, hat sie bisher insbesondere durch die Verbesserung der Energieeffizienz und den Einsatz von alternativen Brennstoffen Fortschritte erzielt, aber die Möglichkeiten stoßen mittelfristig an praktische Grenzen. „Um die CO2-Emissionen in Zukunft noch weiter absenken zu können, müssen wir neue Ansätze entwickeln und testen“, erklärt Jan Theulen, Direktor Alternative Rohstoffe bei HeidelbergCement, und fügt hinzu: „Einer davon ist die Bindung von CO2 durch Mineralien.“ Fachleute sprechen von Karbonatisierung und anschließender Mineralisierung: Große Mengen an CO2 aus der Zementherstellung werden wieder „eingefangen“ und in Gestein mineralisiert, beispielsweise im heimischen Olivin-haltigen Basalt. Die so karbonisierten Mineralien könnten künftig als Zuschlagstoffe für die Produktion von Baustoffen eingesetzt werden und so könnte der Kohlenstoff wieder in den Kreislauf gelangen. So lässt sich nicht nur die Kohlendioxid-Bilanz der Zementindustrie verbessern, sondern aus dem Abfallprodukt CO2 ein nachhaltiger Rohstoff gewinnen – für die Industrie eine vielversprechende Möglichkeit, um sich von fossilen Rohstoffquellen unabhängiger zu machen, und zugleich ein kluger Schachzug mit Blick auf die Senkung von CO2-Emissionen. „Mit diesem Pilotprojekt unterstützt das Bundesforschungsministerium erstmals in Deutschland die Forschung zur Karbonatisierung und Mineralisierung – insofern ist es auch für PtJ ein besonderes Projekt“, sagt Dr. Stefanie Roth, die bei PtJ die BMBF-Förderrichtlinie „CO2 Plus – Stoffliche Nutzung von CO2 zur Verbreiterung der Rohstoffbasis“ betreut. Deutschland gehöre zwar im Themenspektrum
CO2-Nutzung zu den Technologieführern, allerdings war die Karbonatisierung noch ein weißer Fleck auf der Förderlandkarte des BMBF. Andere europäische Länder weisen in diesem Bereich schon vielversprechende Ergebnisse vor: „So gibt es beispielsweise in Großbritannien und Frankreich erste Kommerzialisierungen – entstanden aus Projekten, die ursprünglich staatlich subventioniert worden sind“, erklärt Roth.
Die Zementindustrie hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 85 Prozent ihrer Emissionen zu neutralisieren – ein ehrgeiziges Ziel, das Theulen von HeidelbergCement durchaus für realistisch hält. Er geht davon aus, dass 10 bis 20 Prozent auf die stoffliche Nutzung von Kohlendioxid entfallen. In CO2MIN stehen mit Olivin-haltigem Basalt zunächst heimische Mineralien im Fokus, die Kohlendioxid über ihren gesamten Lebenszyklus binden. Der normale Mineralisierungsprozess zieht sich allerdings über Jahre hin, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingegen benötigen im Labor nur wenige Stunden, bis die Mineralien mit dem Treibhausgas gesättigt sind. „Im Labormaßstab funktioniert es schon sehr gut“, freut sich Theulen. Neben geeignetem Basalt testen die Forscherinnen und Forscher auch Abfallprodukte wie Stahlschlacke oder Braunkohleasche. „Natürlich müssen Wege gefunden werden, damit der gesamte Prozess wirtschaftlich wird – nicht heute oder morgen, aber mittelfristig“, sagt Theulen. Und auch die gesellschaftliche Akzeptanz müsse sichergestellt werden: „Die beste Technologie nützt nichts, wenn die Menschen sie ablehnen“, so Theulen. An dieser Stelle ist vor allem die Expertise des Potsdamer Instituts IASS gefragt. „Das Institut verfügt bereits über langjährige Erfahrung im Bereich Wirtschaftlichkeit und stoffliche Nutzung von Kohlendioxid“, erklärt Roth, die seit 2013 für das Thema CO2-Nutzung bei PtJ verantwortlich ist. Als das BMBF vor gut acht Jahren die erste Fördermaßnahme dazu gestartet hat, hat kaum jemand das Thema ernst genommen: „Alle waren überzeugt davon, dass man das Treibhausgas CO2 nicht als Baustein verwenden kann. In den Firmen haben wir gegen Windmühlen gekämpft und mussten sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Wir haben immer wieder Workshops veranstaltet, immer wieder Experten eingeladen ...und der stete Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Heute, acht Jahre später, haben wir alle relevanten deutschen Firmen an Bord.“ Umso erfreuter ist die promovierte Chemikerin, dass sie ihr Know-how aus den vergangenen Jahren nun in die neue BMBF-Förderbekanntmachung einbringen kann, damit auch dieser weiße Fleck auf der BMBF-Förderlandkarte mit neuen Ansätzen und Ideen gefüllt wird.
Für Prof. Jürgen Poerschke ist sie ein Herzensprojekt und für die Region Harz ein Leuchtturm der Recyclingwirtschaft: die „Wertstoffwende“. Den Namen hat sich die Hochschule Nordhausen als Wort-Bild-Marke längst schützen lassen, eine Metall-Stele auf dem Campusgelände erzählt von dem Engagement und der Innovationskraft der beteiligten Hochschulen und Unternehmen einer Region, die seit Jahrhunderten als Bergbaurevier bekannt ist und nun neue Wege geht, um die Folgen des Niedergangs der alten Bergbau- und Hüttenaktivitäten und den damit verbundenen Strukturwandel abzufedern.
„Die Energiewende ist in aller Munde, mit unserer Wertstoffwende verfolgen wir im Grunde dasselbe Ziel“, erklärt Poerschke. Es gehe darum, Ressourcen zu schonen und Emissionen zu reduzieren. Allerdings gebe es in der Wertstoffwende keine Sonne, die kontinuierlich Energie ins System führt: „Stattdessen haben wir die Kreislaufwirtschaft. Sie eröffnet die Chance, jene Rohstoffe, die wir bereits erschlossen, abgebaut und gewonnen haben, zu recyceln, indem wir sie in den Stoffkreislauf rückführen, aufbereiten und erneut verwerten“, erklärt Poerschke. Um diese Strategie durchzusetzen, müsse der Mensch allerdings zunächst begreifen, dass alles, was er kauft, verwertet und entsorgt, kein Abfall sei, sondern Wertstoff. Und Kreislaufwirtschaft funktioniere eben nur dann, wenn deutlich mehr Wertstoffe zurück in den Stoffkreislauf gelangen: „Wird nichts rückgeführt, kann auch nichts verwertet und aufbereitet werden“, bringt es der Wissenschaftler auf den Punkt. Deshalb setze das Projekt Recycling 2.0 als ein Puzzleteil der Wertstoffwende bei der Rückführung an.
In Recycling 2.0 geht es unter anderem konkret darum, die Rückführungsquote von Elektroschrott zu erhöhen und exemplarisch Optimierungspotenziale bei der Verwertung aufzuzeigen. Damit sich das Prozedere wirtschaftlich für die Region überhaupt rechnet, braucht es eine kritische Menge an Elektroschrott, um die gewünschte Menge an Rohstoffen zu gewinnen. Über verschiedene Bring- und Holsysteme versuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Bürgerinnen und Bürger sowie auch Unternehmen zu bewegen, ausgediente Elektrogeräte in die dafür vorgesehenen Sammelstellen zu bringen: „Das ist uns bereits mithilfe der Expertise der Magdeburger Umweltpsychologen gelungen: Sie wissen, wie sie die Menschen dahingehend motivieren, dass sie ihre ausgedienten und kaputten Handys, Bohrmaschinen oder Mixer wieder zurückgeben“, so der Nordhäuser Professor. Denkbar seien beispielsweise materielle und soziale Anreize oder einfach nur die richtige Aufklärung.
Bei ihren Feldstudien haben die Forscherinnen und Forscher eine erstaunliche Feststellung gemacht: Es gibt eine Altersgruppe, die schwer zu mobilisieren ist: die 30- bis 50-Jährigen. „Die erreichen wir tatsächlich nur über Umwege, nämlich über die Kinder“, sagt Poerschke. Deshalb habe das Projekt bewusst eine Bildungsoffensive in Kindergärten und Schulen gestartet, um auch die Jüngsten für das Thema zu sensibilisieren – mit 3D-Brillen, 360-Grad-Videos und eindrücklichen Beispielen. „Allerdings war es sehr mühsam, in Abhängigkeit von den Lehrenden den Zugang zu den Schülern zu bekommen. Daraufhin haben wir in Absprache mit PtJ unseren Arbeitsplan präzisiert und richten nun ergänzend zu den Schulaktivitäten ein Bildungskabinett ein“, erklärt Poerschke. Künftig wolle man Schülerinnen und Schüler sowie Studierende zu sich einladen – möglichst auf den Hochschulcampus. „Diesen direkten örtlichen Anlaufpunkt planen wir gerade und klären, wie passende Lernmodule und -methoden aussehen.“ Der engagierte Professor ist sich sicher: „Hat man erst einmal die Jüngsten an Bord, lässt sich die Kreislaufwirtschaft etablieren – denn die Kinder von heute sind die Zukunft von morgen!“
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