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In Sprendlingen-Gensingen ist Klimaneutralität ein Lebensstil, jetzt und künftig. Die rheinhessische Verbandsgemeinde steuert CO2-Ausstoß, Abfall, Abwasser und Landverbrauch gen null. Sie nutzt Reste als Ressourcen und wirtschaftet in Kreisläufen. Ihre Null-Emissions-Strategie entstand gemeinsam mit Forschenden vom Umwelt-Campus Birkenfeld.
Kornblumen, möglicherweise. Wiesensalbei, wilder Oregano. All die Blüten, Sträucher und Kräuter, die Nahrung und Lebensraum für Bienen, Schmetterlinge, für vielerlei Insekten und Vögel sind. Sie wachsen inmitten der Dörfer und Städte, entlang der Straßen und Bahngleise. Auf Friedhöfen und in Gärten. Sie wachsen als vielfarbige Zeichen einer Region, die sich grüner Lebensqualität verschrieben hat. Auf einer Bürgerschaftsversammlung entstand diese Idee eines urwüchsigen Netzes im urbanen Raum, das nun wachsen soll.
Sprendlingen-Gensingen. Verbandsgemeinde mit zehn Ortsteilen in einer Landschaft aus Weinbergen, die die Menschen gern „Rheinhessische Toskana“ nennen. Autobahnanschluss nach Frankfurt/Main, rund 70 Kilometer nordöstlich. Zehn eigenständige Städte und Dörfer mit Fachwerkhäusern, kleinen Gasthöfen, Wanderwegen und Feldern. 15.000 Menschen leben auf 56 Hektar Rheinland-Pfalz.
Bis zum Jahr 2030 will Sprendlingen-Gensingen Null-Emissions-Gemeinde werden. Der etwas sperrige Titel bezeichnet ein Konzept, das weit mehr umfasst als Null-CO2-Ausstoß. Der gesamte Abfall aus Alltag und Wirtschaft soll gen null sinken – durch Reduzieren, Ausgleichen, Neunutzen. Durch regionale Kreisläufe von Energie, Wasser und Rohstoffen, die nachhaltig sind und Gewinn bringen.
„Es stecken viele Potenziale im Null-Emissions-Konzept“, sagt Bürgermeister Scherer. „Der Tourismus profitiert davon. Man kann auch finanzielle Vorteile daraus schöpfen.“ Und nicht zuletzt: „Die Zufriedenheit der Menschen in einer Region mit hoher Umweltqualität steigt.“ Es steigt auch die Zahl derjenigen, die in die Region ziehen wollen. In der Ortsgemeinde Gensingen entsteht ein Null-Emissions-Wohngebiet, gewissermaßen ein Modellquartier des Konzepts. Wohnungen für 400 Menschen verschiedener Generationen soll es vereinen, eine Kita, einen Laden. Ein Mix aus Ein- und Mehrfamilienhäusern, Eigentums- und Genossenschaftsbau.
Das Quartier wird klimaneutral, mit autarker Energie- und Wärmeversorgung. Auf jedem Dach fangen Solaranlagen die Sonnenenergie ein. Auch ein Carport mit Ladestellen für 30 Elektroautos trägt ein Solardach, das die Straßenbeleuchtungspeist.
Natürlich voller Energie. Der Satz ziert die Energieagentur in der Hauptgemeinde Sprendlingen. Hier arbeiten die drei Klimafachleute Müller, Pfaff und König, beraten zu allen Fragen von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, stoßen Null-Emissions- Initiativen und Mitmachprojekte an. Nebenan lädt das Tourismusamt zum Entdecken der Weinlandschaft. Derweil wächst die natürliche Energieversorgung. Seit 2018 bereits kommt der Strom für die kommunalen Einrichtungen komplett aus erneuerbaren Quellen. Ein genossenschaftlicher Solarpark versorgt einen Teil der Haushalte mit Sonnenenergie. Vier Windkraftanlagen sind neu entstanden, viele Dächer mit Photovoltaik bestückt. Die Straßenbeleuchtung in allen zehn Ortsgemeinden ist auf energiesparende LED-Leuchten umgestellt.
Demnächst sollen die Gebäude in allen Ortszentren gen grüne Null gerichtet werden. Auch die Wärmeversorgung soll sauber werden, gefördert mit Quartierskonzepten und durch Nahwärmemodelle. Am guten Klima wirken alle mit: Der kommunale Energieversorger wirbt für 100 Prozent Ökostrom und 100 Prozent Biogas aus der Region und belohnt den Wechsel mit einer Spende für einen gemeinnützigen Verein.
Natürlich voller Energie – der Schriftzug steht auch auf dem Elektroauto der Verbandsgemeinde. Vormittags fahren die Angestellten der Verwaltung damit. Nachmittags und an den Wochenenden nutzen die Bürgerinnen und Bürger es via Carsharing. Mit einem weiteren Elektrofahrzeug chauffieren Ehrenamtliche ältere Menschen. Dem Bürgerbus soll ein mobiler Dorfladen folgen. Ein Elektromobil bringt dann Obst, Gemüse, Brot und Milch vor die Haustür – und ersetzt die Fahrt im eigenen Pkw in die Supermärkte. Die grüne Mobilität als Win-win-Situation für alle. Mit dem Comic eines Öko-Tante-Emma-Ladens begeistert Nachhaltigkeitsmanagerin Heike Müller im Amtsblatt ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer.
„Es gibt keinen Planeten B.“ Auf die Wände eines Eisenbahn-Tunnels zwischen Sprendlingen und Gensingen haben Jugendliche zwei Welten nebeneinander gestellt: eine Welt ohne und eine mit Klimaschutz. In der ersten malt ein Eisbär einem anderen das Fell schwarz. In der zweiten sonnt sich eine grüne Landschaft unter Windkraftanlagen. Diese Graffitis und ein HipHop-Sound sind aktuelle Beiträge von Kindern und Jugendlichen zur Null-Emissions-Gemeinde. Auch Obststräucher und -bäume als essbares Grün für alle haben die Jugendlichen in die Weinlandschaft gepflanzt.
Klimaschutz beginnt in Kommunen. Die rheinhessische Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen hat sich als Null-Emissions-Gemeinde bereits auf den Weg in die Klimaneutralität gemacht. Sie verknüpft Kreislaufwirtschaft, neue Wertschöpfungsketten, Klima- und Umweltschutz sowie nachhaltige Landnutzung.
Ausgehend von einer Modellkommune werden im Fokusthema „Klimaschutz“ Projekte betrachtet, die Kommunen beispielgebend auf dem Weg in die Klimaneutralität 2050 begleiten können. Die Beispiele stammen aus den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft sowie aus der Kreislaufwirtschaft. Gemeinsam sollen sie in einer engen Verzahnung wirken, um Synergien zu bündeln und Potenziale zu heben.
Bild „Klimaschutz in Kommunen“: ©TIMDAVIDCOLLECTION - stock.adobe.com
Bild von Heike Müller, Andreas Pfaff und Vivienne König: Annegret Hirschmann
Bild: „Das Null-Emissions-Konzept“ : ©Kamil - stock.adobe.com
Bild: „Klimaschutz vor Ort – Die Kommunalrichtlinie“ :©Pixelot - stock.adobe.com
3D-Darstellung einer Modellkommune: Projektträger Jülich (PtJ)
PtJ ist zertifiziert nach DIN EN ISO 9001 : 2015 und ISO 27001 auf Basis IT-Grundschutz