Zum Hauptbereich (Eingabetaste) Zum Hauptmenü (Eingabetaste) Zum allgemeinen Seitenmenü (Eingabetaste)
Eisig ist es an diesem Februarmorgen in Berlin: -8 Grad Celsius zeigt das Thermometer. Die zehn brasilianischen Bürgermeister stehen fröstelnd in der Bernburger Straße im Stadtteil Kreuzberg – und warten. Da kommt eine blonde Frau um die Ecke geradelt: Anja Steglich lächelt ihren Gästen herzerwärmend entgegen und begrüßt sie in fließendem Portugiesisch. Die Landschaftsarchitektin von der TU Berlin ist internationales Publikum gewohnt, regelmäßig führen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen von der Roof Water-Farm Interessierte aus aller Welt durch die Pilotanlage. Auch aus dem gesamten Bundesgebiet reisen Politiker, Architekten, Studierende, Schüler und Visionäre nach Berlin, um sich auf dem Hinterhof von Block 6 davon zu überzeugen, dass es durchaus funktioniert, auf kleiner Fläche Landwirtschaft und Fischzucht zu betreiben – gekoppelt an eine Wasseraufbereitungsanlage.
Auch wenn die Roof Water-Farm aus organisatorischen Gründen nicht auf dem Dach steht: „Die technische Machbarkeit haben wir bewiesen. Nun geht es darum, das Projekt auf andere Städte zu übertragen, Akteure zu finden, die sich trauen, Anlagen in verschiedenen Dimensionen zu bauen und lebensmittelrechtliche Genehmigungen für die Aqua- und Hydroponik einzuholen“, erklärt Million – dafür hat das BMBF weitere zwölf Monate bis Ende 2017 genehmigt.
9:00 Uhr: Bürgermeisterzimmer im Rathaus
Der Kaffee steht auf dem Tisch, Ortsbürgermeister Jürgen Wenzel nimmt sich Zeit für ein Gespräch. Seit über 13 Jahren ist er im Amt, seit 31 Jahren in der Ortspolitik aktiv. Vieles hat der Mann mit den dunkelblonden Haaren und den blauen Augen auf den Weg gebracht: „Bei uns ist Klimaschutz kein ,Nice-to-have‘, sondern viertes Standbein – neben der Gewerbeansiedlung, dem Breitbandausbau und der Schaffung von Wohngebieten.“ Allerdings wäre das Klimaschutz-Engagement ohne die Beharrlichkeit von Lisa Rothe nicht möglich. „Ich habe jede Woche mindestens eine gute Idee, aber es bleibt mir nicht die Zeit, sie zu prüfen!“, sagt Wenzel und lacht. Kurze Wege – Rothes Zimmer liegt gleich neben dem des Ortsbürgermeisters – garantieren eine reibungslose Kommunikation. Mehrmals täglich besprechen sie sich, Wenzel als Ideen- und Impulsgeber, Rothe übernimmt die „Puzzlearbeit“ und arbeitet die Ideen weiter aus. Eine konstruktive Zusammenarbeit, aus der fünf Masterplan-Leuchttürme entstanden sind: das virtuelle Kraftwerk, Energieeffizienz im Gebäudebestand, der Ausbau regenerativer Nahwärmenetze, der Einsatz von Blockheizkraftwerken (BHKW) in Mietobjekten sowie nachhaltige Elektromobilität. „Zu den Themen haben wir Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, um die komplexen Sachverhalte detailliert zu erfassen und die Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Nur so lässt sich klären, ob sich die Projekte für die Gemeinde und den Bürger rechnen“, erklärt Rothe. Die Machbarkeitsstudien – insbesondere die zur Elektromobilität – werden auch von anderen Kommunen angefragt: „Wir geben unser Wissen gern weiter“, sagt Rothe.
Wir verlassen das Rathaus und – fahren Auto: Mit dem Elektroauto geht es geräuschlos durch den Ort, vorbei am Denkmal des „pflügenden Elefanten“, das an die Artistengeschichte von Alsenborn erinnert. Der Ort ist als „Heimat der Seiltänzer“ bekannt.
11:45 Uhr: Biomasseheizkraftwerk
Thomas Spies hat eigentlich keine Zeit: Hochkonzentriert sitzt der dunkelhaarige Kraftwerksleiter vor mehreren Bildschirmen und koordiniert die Arbeit. Rund um die Uhr läuft das gemeindeeigene Kraftwerk. Immerhin liefert es neun Millionen Kilowattstunden Wärme im Jahr und 17 Millionen Kilowattstunden Strom, der ins ortseigene Stromnetz eingespeist wird – rein rechnerisch lassen sich damit 4.800 Haushalte versorgen. „Über das 4,5 Kilometer lange Fernwärmenetz werden die Bereitschaftspolizei, zwei Altenheime, die Feuerwehr, der Bauhof, das Rathaus, die Industriebetriebe und einige private Abnehmer versorgt“, erklärt Spies. Draußen rollt ein Lastwagen heran und liefert „neues Futter“: Landespflegematerial, unter anderem aus Grünschnittabfällen, davon frisst das Kraftwerk täglich 100 bis 120 Tonnen. Die Vorteile der Nutzung von Biomasse zur Energieerzeugung liegen auf der Hand: Sie schont knapper werdende fossile Brennstoffe; es wird nicht mehr Kohlendioxid freigesetzt als zuvor von den Pflanzen aufgenommen wurde. Biomasse trägt damit in erheblichem Maße zum Klimaschutz bei. „Und um das Biomasseheizkraftwerk weiterhin zu optimieren, ging im Dezember 2015 ein zusätzliches Blockheizkraftwerk zur Eigenstromversorgung des Biomasseheizkraftwerks in Betrieb. Jährlich können wir über 130.000 Euro einsparen“, so Rothe, während wir die letzte „Klimaschutz-Etappe“ des Tages anfahren.
13:48 Uhr: Bahnhof Enkenbach-Alsenborn
Der Zug rollt ein – dieses Mal weiter Richtung Frankfurt. Im Sonnenlicht zurück bleibt eine funkelnde kleine Pionierkommune, die sich vor den „Großen“ nicht verstecken muss und die ein deutliches Signal setzt: Die Welt retten kann man nicht allein. Klimaschutz verbindet.
Wenn in Kommunen ein ambitioniertes Klimaschutzkonzept erarbeitet wird, braucht es Kümmerer, eben Masterplan-Managerinnen und -Manager, die den Umsetzungsprozess vorantreiben und die Akteursnetzwerke betreuen – das ist unsere Erfahrung aus vielen Jahren Klimaschutz-Förderung.
Insgesamt ist es sehr gut gelungen, das Thema Klimaschutz nachhaltig in den Kommunen zu verankern. Da wurden beispielsweise Beiräte gegründet, Infoveranstaltungen angeboten, Menschen angeregt, das eigene Verhalten in Sachen Klimaschutz zu überdenken, alte Kühlschränke ausrangiert, Klimaschutzwettbewerbe organisiert. Diese Verankerung in der Gesellschaft und das kontinuierliche Einbeziehen aller Akteure, auch aus der Politik, sind entscheidend für den Erfolg. So erproben die Masterplan-Kommunen Wege, um bis zum Jahr 2050 den Ausstoß an Treibhausgasen um 95 Prozent zu verringern und den Energieverbrauch zu halbieren. Wichtig ist, grundlegende Änderungen im Klimaschutz einzuleiten, also den Hebel umzulegen. Das wollen wir mit dieser Förderung erreichen. Außerdem sind unsere Masterplan-Kommunen inzwischen international vernetzt. Es gibt Anfragen und Besuche aus Kanada, China oder Japan. Kommunale Praktiker kommen und wollen konkret sehen: Wie macht Ihr das? Da übernimmt Deutschland tatsächlich eine Vorreiterrolle.
Für Teilnehmer der ersten Förderperiode gibt es ein zweijähriges Anschlussvorhaben. Es geht darum, den zivilgesellschaftlichen Prozess zu stärken, also noch mehr Bürgerinnen und Bürger ins Klimaschutz-Boot zu holen. Außerdem soll die Verstetigung des Masterplan-Prozesses gesichert werden, sodass die Personalstellen der Masterplan-Managerinnen und -Manager auch nach dem Anschlussvorhaben erhalten bleiben und die Kommunen den beschrittenen Klimaschutzweg fortsetzen. Zwei Kommunen ist dieser Schritt bereits gelungen. Außerdem haben wir Tandems aus den 19 alten und 22 neuen Masterplan-Kommunen gebildet, die möglichst regional und vor allem inhaltlich zusammenarbeiten.
PtJ ist zertifiziert nach DIN EN ISO 9001 : 2015 und ISO 27001 auf Basis IT-Grundschutz