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Grünes Wachstum und Kreislaufwirtschaft gewinnen sowohl in der Politik als auch in der Forschungsförderung an Bedeutung: Auf der Suche nach Ersatz für Öl, Gas und Kohle setzt Deutschland verstärkt auf die Nutzung von Pflanzen als Rohstoff. Ziel ist, eine Bioökonomie zu schaffen, die Wirtschaftswachstum, Energieverbrauch und Klimaschutz verbindet. Da aber auch nachwachsende Rohstoffe nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, sollen sie in Zukunft in einer Kreislaufwirtschaft länger und mehrfach genutzt und am Ende in biologische Kreisläufe zurückgeführt werden.
In dem auf fünf Jahre angelegten Projekt fokussieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwei Aspekte: „Einerseits untersuchen wir politische Initiativen und Rahmenbedingungen wie Gesetze, Selbstverpflichtungen oder Förderprogramme für eine Kreislaufwirtschaft. Andererseits nehmen wir die Praxis von jenen Unternehmen unter die Lupe, die versuchen, Nutzungskreisläufe für pflanzliche Materialien aufzubauen“, erklärt Leipold. Dabei bezieht das Team die Sichtweise und Erfahrung von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen mit ein und versucht in Fallstudien herauszuarbeiten, wie der Wandel hin zu einer grünen Kreislaufwirtschaft gelingen kann.
Für das Holzhaus würde das bedeuten: Welche Grundlagen seitens der Politik und Wirtschaft sind überhaupt notwendig, um ein solches Kreislaufkonzept deutschlandweit anzuschieben? Welche neuen Netzwerke oder Rücknahme- und Sammelsysteme sind nötig, um die Häuser wiederzuverwerten? Langfristig will das Team mithilfe von Workshops und einer Online- Plattform Politik und Unternehmen an einen Tisch holen, um auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse gemeinsame Zukunftsstrategien zu benennen.
Wir wissen, dass die Energiewende mit neuer Technologie alleine nicht gelingen wird. Entscheidend für die Energiewende sind vier Bereiche: Technik, Organisation, Regulierung und menschliches Verhalten. Aber erst wenn wir die Wechselwirkungen zwischen diesen Bereichen besser verstehen, können wir die Energiewende voranbringen.
Die Herausforderungen in der Technik sind klar. Da geht es etwa um neue Speichersysteme für die überschüssige Energie aus Windkraft- oder Solaranlagen. Aber hier schließt sich gleich die nächste Frage an: Wie wollen wir diese Speicher organisieren? Vielleicht sind mit Speichern keine Gewinne zu erzielen, sodass wir eine Infrastruktur von staatlicher Seite benötigen. Vielleicht können Speicher nicht wettbewerblich organisiert werden und wir bräuchten eine marktunabhängige Organisationsform, ähnlich wie die Bundesnetzagentur. Verschiedene Modelle sind hier möglich. Wir müssen herausfinden, welches Modell das beste für das Gelingen der Energiewende ist. Darüber hinaus haben wir es hier schon heute mit einer Reihe von organisatorischen Innovationen zu tun, also sozialen Innovationen, die für die dezentrale Energieversorgung sinnvoll sind: beispielsweise neue Genossenschaften, sich selbst versorgende Energiedörfer oder die 30.000 Mini-Unternehmen, die Strom erzeugen.
Genau, das ist der Aspekt der Regulierung. Hier müssen die Akzente richtig gesetzt werden. Wie schaffe ich Anreize, damit Innovationen zustande kommen, damit sich neue, effektive Organisationsformen durchsetzen können und damit Individuen wissen, was sie tun sollen. So gilt es, etwa Rebound-Effekte zu vermeiden.
Wir dürfen die Probleme und negativen Aspekte nicht unter den Tisch fallen lassen. Wenn etwa die Kohleindustrie schrumpft, bedeutet das für viele Menschen den Arbeitsplatzverlust. Wir benötigen eine Debatte darüber, welche Prozesse bei der Energiewende akzeptabel sind und welche mehr Zeit und Kreativität benötigen. Die beste Technik bringt nichts, wenn sie von den Menschen nicht akzeptiert wird. Eine unserer Aufgaben ist es daher, Positionen aus der Gesellschaft integrativ in unsere Forschung einzubeziehen. Und wir müssen herausfinden, welche Folgen sich aus den einzelnen Schritten ergeben, mit denen wir unser Energiesystem verändern.
Tatsächlich ist eine so ganzheitliche Untersuchung meines Wissens in der Form noch nicht gemacht worden. Das Entscheidende ist, dass wir transdisziplinär arbeiten. Das bedeutet, dass nicht nur 84 Partner verschiedener Einrichtungen und Fachrichtungen in ENavi zusammenarbeiten und wir uns intensiv mit den anderen drei „Kopernikus-Projekten“ austauschen. Es heißt auch, dass wir Wissensträger aus Wirtschaft, Gesellschaft und zivilgesellschaftlichen Institutionen aktiv einbinden – und zwar bis auf die kommunale Ebene wie beispielsweise Bürgermeister und Bürgerinitiativen vor Ort. Uns geht es darum, nicht nur neues Wissen zu schaffen, sondern damit dann auch handlungsorientiert zu arbeiten. Deshalb werden Lösungen, die wir in den 13 Teilprojekten von ENavi entwickeln, in verschiedenen Modellregionen in Deutschland getestet.
Die verschiedenen Teilprojekte haben ihre Arbeit aufgenommen. Das zentrale Element von ENavi ist allerdings ein Navigationsmodell, in das wir alle unsere Informationen eingeben. Das sind einerseits harte Fakten wie technische und wirtschaftliche Daten, andererseits aber auch weiche Fakten wie Expertenmeinungen und Einschätzungen, etwa zur Akzeptanz bestimmter Innovationen. Das Modell soll uns Wege aufzeigen, über die wir mögliche und erwünschte Ziele erreichen können, um etwa Fortschritte bei der Sektorkopplung oder bei der Reduktion von CO2-Ausstoß zu erreichen. Und es soll möglichst frühzeitig sichtbar machen, welche Folgen sich daraus ergeben. Dabei soll das Modell so flexibel sein, dass wir auch neue technische Entwicklungen oder veränderte politische Rahmenbedingungen berücksichtigen können.
Es wird natürlich nicht nur ein umfassendes Modell geben, sondern eine Kombination von Modellen, Simulationen und qualitativen Verfahren der Experteneinschätzung. Eine erste Version dieser Kombination soll bis zur ersten Evaluation des Projekts im Jahr 2019 einsatzbereit sein, Teilmodelle hoffentlich auch schon früher. Da das Projekt auf zehn Jahre angelegt ist, werden wir aber noch ausreichend Zeit haben, das Gesamtmodell einzusetzen, unsere Lösungen in den Modellregionen zu erproben und somit der Energiewende zum Erfolg zu verhelfen.
Herr Prof. Renn, vielen Dank für das Gespräch!
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